Wir sind wieder da!

Als Vazaha auf dem 8. Kontinent – Unsere Reise durch Madagaskar

Freitag, 22.10.2022, auf der Straße zwischen Tamatave und Andasibe. Das tiefdunkle Schwarz der Nacht umgibt unser Buschtaxi. Wir schaukeln durch die Madagassische Provinz. Der Mercedes Sprinter düst über die von Bananenpflanzen und Ravenala-Bäumen gesäumte „Straße“, wobei man diesen Begriff nicht überbewerten darf. Jedes Schlagloch (und davon gibt es nicht wenige) wird durch die abgenutzte Federung direkt an uns weitergegeben. Wir sitzen in der zweiten Reihe hinter dem Fahrer zu fünft auf vier Sitzen, hinter uns etwas mehr als ein Dutzend madagassischer Schüler. Sie singen lauthals die madagassischen Pop -Schlager mit, die aus dem Autoradio schallen. Mir wirft sich eine Frage auf: Ab wann kenne ich Madagaskar und die Madagassen wirklich? Denn so viel ist klar: Wir können nur Eindrücke aus unserer Perspektive erfahren: Aus der Perspektive eines „Vazahas“, wie es hier heißt: Eines Weißen, eines Fremden auf dem 8. Kontinent. „Wir“, das sind Jens, der organisatorische Kopf des Ganzen, Marie, die aus Madagaskar stammt und in Dresden wohnt, mein Vater Mirko und wir Schüler: Niklas, Hannes und ich, Simon.

Idyllisch liegt das Dorf Anjahambe in der Abendsonne.

Die Wege auf Madagaskar sind lang. Kein Wunder, bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von nicht viel mehr als 30 km/h mit dem Buschtaxi. Im Dorf schlagen wir in einer Bambushütte unsere Zelte auf. Der örtliche Fluss mit kleinem Wasserfall bildet das Bad. Der Alltag sieht hier wie folgt aus: Mit dem ersten Hahnenschrei Aufstehen (meist ist das 4:00 in der Früh) und zum Frühstück Reis oder wahlweise auch gekochte Maniok-Wurzeln essen. Danach geht es zur Arbeit, beziehungsweise für die Kinder zur Schule. An einem Tag setzen Hannes, Niklas und ich uns auch mit in eine circa 40-köpfige Klasse. Die Ausstattung ist an vielen Stellen erschreckend, in der Decke sitzen die Fledermäuse, hinten im Klassenzimmer liegen zusammengebrochene Schulbänke. „Weil wir auf den Tischen tanzen!“, wie uns einer der Schüler auf Nachfrage ironisch lachend erzählt. Material-Mangel an allen Ecken. Geld wird entweder vom Staat nicht zur Verfügung gestellt oder es versickert im Netz der Korruption.

Das Lycee in Anjahambe . Aufgrund fehlender staatlicher Investitionen müssen Eltern und Schüler oft selbst Initiative ergreifen und haben sich so beispielsweise ein zusätzliches Klassenzimmer aus Bambus gebaut.

Um Bestechlichkeit und Veruntreuung zu entgehen, braucht man vertrauenswürdige Kontakte vor Ort. Einer davon: Unser Waldarbeiter Julien, der den Projekt-Wald Analasoa pflegt. Für uns geht es direkt am Sonntag, dem Tag nach unserer Ankunft im Dorf, zum Baumpflanzeinsatz. Durch die unerwartet große Unterstützung von über 60 Schülern ist es keine Schwierigkeit, die anvisierte Fläche zu bepflanzen und so gibt es pünktlich Mittagessen für alle: natürlich Reis! Die für uns verfügbaren Flächen sind nun schon fast alle aufgeforstet und auch die natürliche Flora und Fauna kehrt zurück: In den Bäumen lebt eine riesige Flughunde-Kolonie. Einen Dämpfer bekommen wir jedoch noch ab. Auf dem Rückweg laufen wir einen kleinen Umweg und Julien führt uns zu einer kleinen Lichtung. Mitten im sprießenden Grün springen uns auf einmal die schwarz-grauen Hinterlassenschaften eines Holzkohlemeilers an! Das Verkohlen des nachwachsenden Rohstoffes mitten im Wald zu betreiben ist eine Tradition mit schwerwiegenden Folgen. Außer Kontrolle geratene Kohlemeiler sind einer der Hauptgründe für Waldbrände auf Madagaskar. Aber kann man es der madagassischen Bevölkerung verübeln, dass sie ihren Lebensunterhalt aufbessern möchte und dabei der Umweltschutz eben auch nicht immer an erster Stelle steht? Um solche zwangsweise entstehenden Konflikte zu lösen, führen wir mit allen am Wald beteiligten Seiten einen Workshop durch. Am Ende davon steht ein Vertragsentwurf, in dem alle Rechte und Pflichten geregelt sind. Ein großer Erfolg!

Den krönenden Abschluss unseres Besuchs bildet eine Exkursion in den Andasibe Nationalpark, ein Vorzeigeprojekt für Öko-Tourismus. Die 40 beteiligten Schüler selbst hätten sich solch eine Reise nie leisten können (die Benzinpreise in Madagaskar sind fast genauso hoch wie in Deutschland). Durch in Altenberg eingeworbene Spenden ist der Drei-Tages-Ausflug jedoch möglich. Die am Abend per Video festgehaltene Grußbotschaft für die Altenberger Schüler könnte madagassischer kaum sein: Ein Tanz zu dem Lied „We are One“!

Möglich wurde dieser Ausflug nach Andasibe nur durch Spendengelder aus dem Rainforest-Art-Contest

Eine der Haupterkenntnisse der Reise für mich: Zwischen Madagaskar und Altenberg liegen zwar knapp 9000km Entfernung und ein riesiger Berg an Lebensunterschieden, aber spätestens beim Gemeinsamen Bäume pflanzen oder Fußball spielen schrumpft das Trennende und wächst das Verbindende. Kenne ich Madagaskar jetzt? Vermutlich noch nicht wirklich. Aber das ist auch nicht Schlimm. Ein Grund mehr, der Großen Insel nochmal einen Besuch abzustatten.

Diese Reportage kann nur einen kleinen Einblick in Reiseerfahrungen aus drei Wochen Madagaskar bieten. Einen umfangreicheren Reisebericht gibt es bei unseren geplanten Vorträgen zu hören.

Außerdem gibt es einen weiteren Artikel über die Reise hier auf osterzgebirge.org: https://osterzgebirge.org/de/2022/11/14/begegnungen-im-regenwald/

Während der Reise haben wir unsere Erlebnisse auf Instagram dokumentiert: https://www.instagram.com/stories/highlights/17948359493218811